Flensburg - Oostende, Juli - August 2013

Unser Abenteuer beginnt

Seit Mai 2013 sind wir stolze Besitzer der Sweet Pearl, einem stabilen Aluminiumschiff der Marke Outborn von 13.4 Meter Länge (weitere Infos dazu unter "Über Sweet Pearl"). Und seit Mai arbeiten wir auch daran... Tom in Flensburg und Sandra übernahm den unvermeidlichen schweizerischen Papierkrieg.

 

 

Im Juli führten wir gemeinsam weitere Schönheitsoperationen der Sweet Pearl durch. Von da an waren die Tage lang und die Nächte kurz. Wir arbeiteten unermüdlich ohne Unterbruch: Bohren, fräsen, schleifen, sägen, kleben, hobeln, stopfen, montieren, malen - zugegeben: für uns ziemliches Neuland. Unsere zarten Bürohände, die sich höchstens enerviertes Tastaturtippen gewohnt waren, sahen innert kürzester Zeit nicht mehr so ganz unschuldig aus und waren von unangenehmen Schrammen und mehreren kleinen und grösseren Wunden übersät. Unsere Task-Liste umfasste beeindruckende 332 Punkte - die wir in nur einer einzigen, kurzen Woche abarbeiten wollten. Simone und Ludwig besuchten uns und halfen tatkräftig mit - trotzdem verzögerte sich unsere Abreise um eine weitere Woche. Immer wieder kam etwas Unerwartetes hinzu - an Hiobsbotschaften hatten wir uns längst gewöhnt. Und auch an den beruhigenden Gedanken, dass wir irgendwie immer eine Lösung fanden.

 

Und los geht's!

Mit ein bisschen Verspätung, noch offenen Punkten auf unserer Taskliste aber voller Vorfreude starteten wir schliesslich Ende Juli: "Leinen los!" Nach fünf Minuten Fahrt ging ein ohrenbetäubender Rauchalarm im Motorraum los: Überhitzung! Schockiert sahen wir uns an - sollte unser Abenteuer schon hier zu Ende sein, knapp 50 Meter von unserem letzten Liegeplatz entfernt? Glücklicherweise überlebte der Motor, doch unsere Stimmung war jedoch ziemlich gedämpft. Als wir bei strahlendem Sonnenschein den Nord-Ostsee-Kanal (oder Kiel-Canal) passierten (übrigens die meistbefahrene Wasserstrasse der Welt) und der Motor die ganze Strecke durchhielt, waren wir wieder guten Mutes. Bei der Schleuse aus dem Kanal hinaus versuchte sich Sandra erstmals als Funkerin - prompt antwortete der Schleusenwart: "Tja, Sweet Pearl, warum denn so nervös?" Daraufhin war die Freude am Funken vorerst mal leicht getrübt - ähem.

 

Interview in Borkum

Nach einem kurzen Stopp in Cuxhaven ging es weiter nach Borkum, der westlichsten ostfriesischen Insel Deutschlands. Dort mussten wir einige Tage zwangspausieren - wieder musste der Motorendoktor kommen. In Borkum war tote Hose, bis eines Tages ein hartnäckiges Klopfen an der Schiffswand unsere eintönige Ruhe unterbrach: Der deutsche Zoll! Huch, wie gut, dass wir am Tag zuvor unsere Papiere schön geordnet hatten. Als wir die Zollbeamten (die einzigen bewaffneten Beamten Deutschlands, deshalb ziemlich eindrucksvoll) an Bord baten, meinten diese: "Wir haben ein Problem." Düstere Vorahnungen schwebten bereits in unseren Köpfen herum, bis der Zollbeamte erklärte, dass ihn ein Kamerateam begleite, das für das ZDF eine Dokumentation über die Arbeit der Zollbeamten erstelle. Nun teilten wir uns das Cockpit zu acht, so dass die Stiummung natürlich um einiges lockerer wurde. Deshalb nahmen sie Tom auch nicht fest, als er auf die ernste Frage, ob wir Drogen an Bord hätten, schmunzelnd sagte: "Heute nicht!" Der aktuelle Bargeldbetrag, den wir an Bord hatten, betrug etwa 75 Euro, was dann auch nicht der Rede wert war... Leider wurde unser Beitrag bei der Ausstrahlung herausgenommen - ein anderes Schweizer Schiff mit einem deutlich höheren Bargeldbetrag stahl uns die Show (zu sehen hier --> „Patrouille auf der Nordsee“). So werden wir dann wohl doch keine Promis. 

  

Amsterdam und Oostende

Nach einem anstrengenden Nachtschlag mit Gegenströmung und Gegenwind, was unser Vorankommen manchmal fast gänzlich unmöglich machte (wahrscheinlich fuhren wir teilweise sogar rückwärts), kamen wir in Ijmuiden (bei Amsterdam) an. Dort genossen wir einen Erholungstag - wir schauten uns das wunderschöne Amsterdam mit seinen altehrwürdigen Häusern und den verwinkelten Grachten an, die ununterbrochen von allen möglichen kleineren Schiffen befahren wurden. 

 

Nach einer weiteren Woche mit Reparaturen setzten wir erneut die Segel. Michel, ein niederländischer Aussteiger, den wir im Hafen von Ijmuiden kennenlernten, begleitete uns bis Oostende in Belgien. Michel war ein sehr ruhiger und relaxter Zeitgenosse, der auch bei höherem Seegang genüsslich eine Zigarette rollte und rauchte. Er erzählte uns, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe, das ihm das aber gelegen komme, so könne er sich völlig aufs Segeln konzentrieren. Tom und Sandra waren einigermassen schockiert... Erneut war es schwierig, voranzukommen - teilweise standen wir sogar still, so heftig waren Strömung und Wind gegen uns. In Oostende blieb das Schiff für gute drei Wochen stehen.

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