Camaret-sur-Mer - Vigo - Cascais, Oktober 2013

Sommerliche Temperaturen in Vigo
Sommerliche Temperaturen in Vigo

Freaky funky

Für Tom und Sandra hiess es jetzt lernen: Wir hatten uns für den Einsteigerausweis im Amateurfunk angemeldet. So verbrachten wir vier mit Lernen vollbepackte Tage, während denen wir uns oft in unsere Studienzeit zurückversetzt fühlten. Wir freuten uns enorm, dass wir die Prüfung mit Bravour bestanden und seither stolze Besitzer des 

"Einsteigerausweises für Funkamateure" sind. Den wir wohlgemerkt gar nicht brauchten... Wusste vorher aber niemand.


Vorbereitungen in Camaret-sur-Mer

Kaum hatten wir diesen theoretisch unnützen Ausweis in der Tasche, machten wir uns auf den Weg nach Camaret-sur-Mer, wo die Sweet Pearl im Hafen lag. John hatte Sandra versprochen bzw. ihr vehement vorgeschlagen, dass er sie und Tom am Bahnhof von Brest abholen würde. Sandra jedoch konnte die Ankunftszeit nur einem mürrischen Hafenmeister mitteilen, der meinte, er hätte von John nichts mehr gehört. Es war ungewohnt, jemandem etwas ohne Handy mitteilen zu müssen – eine fast vorsintflutliche Erfahrung… Umso erstaunter war Sandra, als John tatsächlich unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung am Bahnhof von Brest wartete. Wir waren überaus dankbar – vermischt mit leichten Spuren von schlechtem Gewissen – und froh, dass wir ihm ein kleines Schokoladengeschenk mitgenommen hatten.

 

Am Samstag hatten Tom und Sandra wieder alle Hände voll zu tun mit dem Schiff, von Erholung keine Spur. Mike besuchte uns und von ihm erfuhren wir, dass John jeden Tag unserer Abwesenheit nachgeschaut hatte, ob mit der Sweet Pearl auch alles in Ordnung war. Wir waren sehr gerührt – und möglicherweise wuchs unser schlechtes Gewissen dadurch noch etwas an. Vielleicht können wir heutzutage Gefallen von anderen Menschen nur schwer annehmen - oder wir fühlen uns gleich verpflichtet, uns erkenntlich zu zeigen um das „auszugleichen“, das heisst, kein schlechtes Gewissen mehr haben zu müssen…

 

Wir kauften die benötigten Essensvorräte für die bevorstehende Reise in einem kleinen Lebensmittelladen in Camaret ein – wahrscheinlich für die Angestellten das Geschäft der Woche. Die Kassiererin kriegte immer grössere Augen, als wir alles flott in unsere Rucksäcke packten. Mitfühlend schaute sie Sandra an, legte ihre Hände auf ihre Arme und meinte: „Ce n’est pas bien pour le dos!“ Sandra nahm das Mitleid gerne an und war umso erfreuter, als die Kassiererin den Metzger rief und rasch eine Fahrgelegenheit zum Hafen für uns organisierte. Schon wieder: Hilfsbereitschaft pur!

 

Und weiter geht's!

Die Abreise am nächsten Tag verzögerte sich wegen kleinen Arbeiten stark. Als wir schliesslich noch tanken mussten und uns dabei ein alter Seebär mit Rauschebart (und „Rauschebrusthaaren“) mit seinem Schiff den Weg versperrte, konnten wir unseren Zeitplan vergessen. Wir hatten exakt berechnet, wann wir hinausfahren müssten, um dem stärksten Strom auszuweichen. Nur leider war nun die Abfahrtszeit minutengenau zur wirklich unpassendsten Zeit, mit der Strömung voll gegen uns. Sorgenvoll dachten wir an die Strecke die vor uns lag – die berüchtigte Biskaya – und hofften, dass wir nicht schon zu Beginn wieder umkehren müssten. Doch irgendjemand meinte es gut mit uns und wir konnten doch noch die mystische Umgebung von Camaret-sur-Mer und die Ausfahrt aus der Bucht geniessen, ohne dass die Strömung uns zu schaffen machte. Es war herrlich sonnig mit blauem Himmel – solches Wetter hatten wir uns gewünscht!

 

Biskaya

Wir waren verständlicherweise etwas nervös vor dem ersten Törn, den wir ganz alleine bestritten. Dann auch gleich noch durch die Biskaya…! So waren wir dankbar für das angenehme Wetter, das uns zu Beginn begleitete. Dadurch konnten wir uns langsam daran gewöhnen, was es hiess, zu zweit zu segeln… Das Wetter war zu Beginn sehr ruhig, was leider hiess, dass wir motoren mussten. Als wir am Dienstag schon einen guten Teil der Biskaya hinter uns hatten, wurde der Wind etwas stärker, so dass schönes Segeln angesagt war. Nach zweieinhalb Tagen näherten wir uns dem Ende der Biskaya. Beim Cap Finisterre nahm der Wind plötzlich sehr stark zu. Wir mussten reffen. Gerade als Sandra sich wieder schlafen legen wollte, wurden die Wellen auf ein Mal sehr bissig und hoch und warfen die Sweet Pearl regelrecht hin und her. Da war nix mit Schlafen – gemeinsam steuerten wir unser Schiff durch die Wellen!

 

Später am Tag – kaum waren wir ausser Reichweite des Caps – konnte der Wind erneut kein Wässerchen trüben und wir mussten wieder motoren. Ab und zu begegnen uns andere Schiffe, wobei vor allem eines unsere Aufmerksamkeit fand: Ein Flugzeugträger…! Und schon sehen wir ein graues, bulliges Militärflugzeug, das nur wenig über dem Meer seine Kreise zog. Interessiert beobachteten wir es – bis es genau über unseren Köpfen hinwegflog. Da war uns dann eher etwas mulmig zumute und wir waren erleichtert, dass keine Bombe auf unser kleines Schiffchen abgeworfen wurde.

 

Der Sommer ist zurück - in Spanien

Seit wir unter Motor liefen, war es plötzlich auch extrem warm. Während wir vorher um die dicke Segeljacke und den Faserpelz froh waren, reichte plötzlich ein T-Shirt. Herrlich! Wir hatten den Sommer eingeholt.

 

Wir steuerten Richtung Vigo und plötzlich kamen von überall her Delfine angeschwommen, sicher 30 an der Zahl, die aufgeregt fiepend mit unserem Bug spielten. Es war unglaublich, so viel Delfine in freier Wildbahn zu sehen und ein Stück von ihnen begleitet zu werden.

 

Mitten in der Nacht kamen wir in Vigo an (was unter anderem unsere erste Nachteinfahrt zu zweit war) und waren froh, dass wir gleich einen fixen Platz zugeteilt erhielten. Die Marina war 24 Stunden geöffnet, weshalb wir gleich auch noch die erfrischenden Duschen benützten (um 01.00 Uhr in der Nacht!). Am nächsten Tag geniessen wir es unendlich, auszuschlafen… Von 12.00 bis 16.00 Uhr wurde Siesta gemacht – und Sandra konnte sich erst danach in der Capitanerie melden. Die grosse Unordnung auf dem Pult brachte sie zum Schmunzeln: Der Hafenmeister musste für jeden Zettel seinen ganzen Stapel durchsuchen und den Bostitch holte er einfach vom Nachbarpult, weil er seinen gerade nicht mehr fand.

 

Nach einer weiteren Nacht in Vigo – zum Abendessen gab es feine Tapas – gings weiter Richtung Cascais bei Lissabon. Der Tankwart in Vigo wartete bereits ungeduldig auf uns, während wir jedoch unseren Ofen noch etwas stabilisieren mussten, da er sich irgendwie gelöst hatte und die Halterung locker war. Sandra suchte verzweifelt nach dem spanischen Wort für „locker“ und meinte, ein entsprechendes gefunden zu haben… So erzählte sie dem Tankwart mit ernster Miene, dass der Ofen verrückt sei und wir deshalb noch etwas Zeit bräuchten, bis wir volltanken könnten („loco“ war leider nicht die richtige Übersetzung für locker…!).

 

Weiter nach Portugal

Auf der Fahrt nach Cascais wechselten sich motoren und segeln ab. Als Tom schlief und Sandra steuerte, tauchte plötzlich ein grosser Delfin neben unserem Schiff auf, der gemütlich mit uns schwamm. Immer wieder zeigte er seinen glänzenden Rücken und tauchte spielerisch unter dem Schiff hindurch. Euphorisch bejubelte Sandra jedes Auftauchen – auf dem Meer darf man das. Plötzlich war er weg. Schade, dachte Sandra, aber der hat wohl auch Termine…

 

Auf dieser Fahrt konnten wir Vögel beobachten, die sich kopfüber in das Wasser stürzten und auf Beutejagd gingen. Heikel waren für uns allerdings die vielen Fischernetze, denen wir glücklicherweise, manchmal jedoch nur noch knapp, ausweichen konnten. Die Fähnchen zur Kennzeichnung sind halt einfach viiieel zu klein!

 

Bei der Einfahrt in den Hafen von Cascais manövrierten wir zwischen unendlich vielen kleinen Segelbooten (sogenannte Jollen) hindurch und hofften, dass wir niemandem in die Quere kamen. Es war ein schöner Sonntagnachmittag und entsprechend viel war los. Das Anlagemanöver am Steg von Cascais klappte zu unserer Freude perfekt – wir merkten, dass wir uns langsam aufeinander einspielten. Zur Begrüssung erhielten wir von der Marina eine Flasche portugiesischen Wein und beschlossen daraufhin, dass uns dieser Hafen sehr gut gefällt.

 

Wir wollten nach einem Tag weiter nach Madeira segeln, aber wie so oft konnten wir dies nicht selber bestimmen… Das Wetter kann man nun einfach nicht planen. Für uns zwei berufsbedingte Planheinis nicht immer so einfach zu akzeptieren. Wir suchten nach anderen Möglichkeiten und fassten Agadir, Marokko ins Auge. Sandra entschied sich jedoch dagegen, weil die Bedenken bezüglich des Hafens und der dortigen Sicherheit zu gross waren. So kam es, dass wir die folgenden Tage für viele kleine Reparaturen nutzten und schliesslich das Schiff für zwei Wochen in Cascais stehen liessen. Sandra hoffte insgeheim, bei der Rückkehr wieder eine Flasche Wein abzusahnen…:-)

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Kommentare: 1
  • #1

    Schmid Maria (Donnerstag, 14 November 2013 13:30)

    Liebe Sandra
    Kaum zu glauben, dass ich dir vor über einer Woche zum Abschied gewunken habe. Nochmals tausend Dank, dass du mich so spontan und herzlich auf eurer Sweet Pearl willkommen geheissen hast.Es war für mich ein einmaliges spannendes Erlebnis euer "Daheim" kennenzulernen und die Gastfreundschaft zu geniessen. Das war eine neue Welt für mich und wie du das anpackst, Toll.
    Ich hoffe du bist mittlerweile mit Adela ohne grosse Strapazen in Las Palmas angekommen. Es hat mich schon gejuckt, Mal auf See zu fahren...
    Lass Adela herzlich von mir grüssen, es hat mich sehr gefreut, sie kennenzulernen.
    Tom hab ich auch tschüss sagen können und er bringt dir ein Erinnerungsfoto mit.
    Mittlerweile hast du deinen Tom wieder in die Arme schliessen können und euer Abenteuer kann beginnen. Ich wünsche euch viel Wind in den Segeln, offene Augen, dass ihr all die Schönheiten sehen könnt, offene Ohren, feine Sinne um all die Eindrücke zu spüren, viel Freude im Herzen, Lust und Glück jeden Tag. Und freue mich jetzt schon auf all die News die ihr uns mitteilen werdet.
    Umarme euch und tschüss
    Dein Gotti